Arbeitsgemeinschaft der katholischen Blindenvereinigungen
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Bonn war eine Reise wert
Internationale Kultur- und Begegnungswoche für hörsehbehinderte und taubblinde Menschen

von Gerlinde Gregori

„Du musst dich hier doch auskennen, so oft wie du schon in Bonn warst…“ Eben nicht - die wiederkehrende Adresse ist für Vorstandssitzungen geeignet. Also war ich so unbedarft wie die Teilnehmenden der Internationalen Kultur- und Begegnungswoche für hörsehbehinderte und taubblinde Menschen. Vom 17. bis 24. August gingen wir miteinander auf Entdeckungsreise: Bonn - mehr als Rhein und Beethoven. Das Münster, eine der ältesten Kirchen am Mittelrhein, ist geschlossen; Bauarbeiten werden auch die nächsten Jahre brauchen, um das Gotteshaus wieder in voller Pracht erstrahlen zu lassen. Anders dagegen beim Beethoven-Haus: das Geburtshaus des großen Sohnes der Stadt wird renoviert - sollte aber bis November fertig sein. Beginnt doch dann das Festjahr zum 250. Geburtstag des weltberühmten Komponisten. Dank Straßenbahn und einer umsichtig reagierenden Gruppe waren wir in Stadt und Umland unterwegs und hatten ein paar Besonderheiten im Visier.

Der Sonntagnachmittag galt den Rheinauen, einem Relikt aus der Zeit der Bundesgartenschau 1979 und der Zeit der Bundeshauptstadt. Park- und Seenlandschaften wechseln ab, am Rhein entlang… Nilgänse und Nutria (nordamerikanische Nagetiere, im und am Wasser lebend) sind ganz schön heimisch dort und scheuen auch die Parkbesucher nicht. „Regen für alle“ gab es, als wir uns eigentlich schon auf den Weg zur Bahn machen wollten. Das war aber dann auch das einzige Mal, dass es uns traf…

Bonn zu Fuß entdecken: Römergründung, Barockresidenz und Beethovenstadt. Das stand am Montag auf unserem Programm. Wir erlebten die Bonner Innenstadt mit ihrem historischen Stadtbild. Prägend sind hier die barocken Prunkbauten aus der glanzvollen Kurfürstenzeit, Beethovens Geburtshaus, das Münster und die bevorzugte Lage Bonns am Tor zum Romantischen Rheintal mit herrlichem Blick auf das nahegelegene Siebengebirge. Wir erlebten eine quirlige, lebendige City mit Marktplatz, Rathaus, Schloss und vielem mehr. Einige genossen am Nachmittag das Wellenbad, eine Attraktion im Römerbad - unweit von unserer Unterkunft.

Die Vormittage von Dienstag und Mittwoch führten unsere geteilte Gruppe jeweils ins Haus der Geschichte, wo mit Handschuhen und Liste ausgestattet, die Gäste eine Zeitreise unternehmen konnten. Die anderen versammelten sich im Dr.-Hubert-Roos-Haus und ließen sich von den Mitarbeitenden Druckerei und Bücherei erklären. Die vielen Fragen zeigten, dass reges Interesse an den beiden Einrichtungen des DKBW bestand. Vielen Dank nochmals auch von dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Gastfreundschaft und die Einblicke in ihre Arbeit!

Die Landschaft des Mittelrheins zeigte sich am Dienstagnachmittag von ihrer besten Seite: Mit der „Rheinprinzessin“ ging es flussaufwärts bis Linz - unverwechselbar das Städtchen am Rhein, und nicht die oberösterreichische Landeshauptstadt! - und wieder zurück vorbei am Drachenfels, Rolandseck, Petersberg…

Der Mittwochnachmittag war frei und die Teilnehmenden aus der Schweiz, Südtirol, Österreich und Deutschland hatten ihre Zeit und Zielorte bewusst eingesetzt. War die ehemalige Bundeshauptstadt doch nach wie vor eine attraktive UNO-Stadt mit internationalem Flair auch in den Fußgängerzonen und der Gastronomie.

Köln war unser Ziel am Donnerstag. Die Entscheidung war nicht so ganz einfach: zu welcher Führung möchte ich? Die einen waren im Duftmuseum des Farina-Hauses: Da hat sich einer einen Traum verwirklicht und dem damaligen Gestank einer großen Stadt einen leisen, feinen Duft entgegengesetzt. Spannend die Geschichte um das Haus Farina. Und noch einen Traum verwirklichte sich jemand aus Köln. Dorthin zog es die anderen unserer Gruppe: ins Schokoladenmuseum. Vom Schokoladenbrunnen bis zur gläsernen Fabrik mit ihren 400 kg täglich produzierter Schokolade nur für das Museum, von der Kakaobohne bis zur fertigen Mini-Schokoladentafel - alles Wissenswerte wurde anschaulich erklärt. Kinder und Erwachsene hatten das gleiche Ziel - kein Wunder, dass sich dieses Museum selbst finanziert!

Fehlt noch der Freitag: ein sagenumwobener Ort, ein sagenhafter Ausblick, eine sagenhafte Idee und ihre Umsetzung: Mit der Straßenbahn ging es nach Königswinter. Dort wechselten wir in Deutschlands älteste Zahnradbahn und fuhren auf den Drachenfels, die höchste Erhebung des Siebengebirges. Nach dem Mittagessen im Gipfelrestaurant nahmen die einen die Zahnradbahn, die anderen ihre Füße für den Abstieg. Bei der „Mittelstation“ trafen sich die meisten. Eine gemütliche Führung erwartete uns im Schloss Drachenburg, einer im 19. Jahrhundert im schlossähnlichen Stil entstandenen Villa mit großen Parkanlagen. Geld und Schönheitssinn haben diesen Traum verwirklicht und zu einer touristischen Attraktion werden lassen.

Die abendlichen Stunden im Gästehaus in der Graurheindorfer Straße waren gefüllt mit Erzählen und Plaudern, drinnen und draußen. Ob gebärdet, gelormt, taktiliert oder geflüstert - es gab immer etwas zu berichten. Dank unserer drei Gebärdensprachdolmetscherinnen und der FM-Anlage war das Kommunizieren miteinander und füreinander möglich. Mittels eines Apfels überlegten wir zum Einstieg am Sonntag, wofür wir danken können: Durchaus auch für 50 Jahre DKBW und für die unfallfreien Internationalen Taubblindenwochen der Arbeitsgemeinschaft - bei insgesamt 57 Teilnehmenden auch dieses Jahr nicht ganz selbstverständlich.